Mittwoch, 2. November 2011

Weingut - Tip aus dem Rheingau - Freimuth

Im Schatten von Kloster Hildegard

Am frühen Abend, wenn die Sonne am Untergehen ist, macht es am meisten Spaß, nach Marienthal von Geisenheim hochzufahren. Ist der Rheingau doch eher eng so wird er nach der ersten Anhöhe hier plötzlich breit. Man hat eine wunderbare Aussicht über die Weinberge hinüber nach Bingen und noch viel weiter. Die Sonne scheint im Mittelrhein zu versinken. Oben beim Weingut Freimuth angekommen, das sich am Ortsrand in den Weinbergen befindet, ist man auf gleicher Höhe mit dem Kloster Hildegard, das in der Abenddämmerung einen großen Schatten wirft.

Das Haus der Freimuths ist nicht zu übersehen: in rot gehalten mit großer Terrasse. Alexander Freimuth empfängt einen dort meist gut gelaunt. Die Ernte ist gerade eingefahren und er macht einen äußerst entspannten Eindruck. Wir sitzen in seiner Straußwirtschaft zusammen, die jedoch geschlossen und einfach eingerichtet ist - wenig ist mehr. Im Sommer und Winter werden unkomplizierte Gericht gereicht, die seine Söhne und Freunde servieren.

Alexander Freimuth ist ein Geisenheimer Bob und in seinen Augen spiegelt sich noch heute Jugendlichkeit wieder. Natürlich besonders, wenn er von seiner Jugend spricht. Da war der Rhein zwar dreckig, aber man ging trotzdem Schwimmen. Und so ließ er sich nicht nur im Rhein, sondern auch im Leben treiben. Nach der Schule wollte er Pilot werden. Aber bei der Armee wollte man Ihn dazu nicht ausbilden, weshalb er sich dann gleich von der Bundeswehr verabschiedete und lieber Zivildienstleistender wurde. Damals kein einfacher Schritt. Eine einzige Bewerbung hat er in seinen Leben geschrieben. Sie wurde von der Lufthansa abgelehnt, weil gerade Einstellungsstopp war. Einen Hängegleiter Führerschein hat er später noch gemacht. Einmal Oben sein und sich umgucken, daß wollte er dann doch, auch wenn das Kapital Pilot für ihn verschlossen blieb. Er ging ein wenig auf Wanderschaft. Sein Vater hatte ja noch das kleine Weingut. Also schaute er sich in Kalifornien sowie Frankreich Weingüter an und arbeitet dort etwas mit. „Es ergab sich halt so“ meint lakonisch Freimuth. Er fand sich in Geisenheim zum Studium ein. Drei Monate im Jahr fast nur im Weinkeller sein erschien ihn gar nicht so erstrebenswert. Der Vater bat ihn doch das Weingut zu übernehmen, da er in Rente gehen wollte. Er erinnerte sich an die schönen Momente in Gaillac in Frankreich. Das Arbeiten und trinken mit den dortige Portugiesen Arbeitern war noch ganz in ihm. Er unterschrieb und wundert sich, daß schon am nächsten Tag der Vater ihm mitteilte, daß er nicht mehr für die Arbeit zur Verfügung steht. Winzer studiert, Weingut geerbt und damit blieb nur noch eine Sache zu klären.

Und es ergab sich, daß eine Frau in sein Leben trat. Plötzlich war das sich treiben lassen vorbei. Geheirate und Kinder bekommen. Der klassischste aller Rheingauer Wege war eingeschlagen. Zwar läßt er sich heute noch gerne mit den Kajak durch das Wildwasser oder einfach nur durch den Rhein treiben, aber ansonsten gilt es jeden Tag was für seinen Wein zu tun. Er lächelt 25 Jahre später. Meine Söhne studieren, aber wenn einer den Betrieb übernehmen will kann er den Betrieb morgen haben. Wein machen hat man im Blut, das muß man nicht studieren. Davon ist er überzeugt. In die USA will er nicht mehr. Das Haus zu bauen und dann das Gut nach Marienthal überzusiedeln war eine spontan Entscheidung. Pläne machen, daß ist nicht seine Sache. Ein gutes Bauchgefühl ist ihm wichtiger. Kajak auf den Anhänger und einfach in den Süden fahren. Das würde er jetzt gerne. So war auch sein letzter Urlaub. Die einfachen Dinge liebt er. Anzug und Kravatte bei ihm? Unvorstellbar! Das Weingut verkaufen und ab nach Frankreich? Es gibt keinen Weg zurück. Er lächelt. Er ist hier angekommen – war eigentlich nie weg.