Rückschritt ins 19. Jahrhundert - oder eine dringende Maßnahme zur
Wiederbelebung von Yahoo? Marissa Mayer, die neue Chefin des Internetkonzerns,
holt alle Mitarbeiter vom Home Office zurück in die Firmenzentrale. Es ist
nicht das erste Mal, daß das Pendel zurückschlägt. Seit Peter Sellers in den
70iger Jahren verkündete, daß der Weg und nicht das Ergebnis der Schlüssel zum
langfristigen Erfolg für Unternehmen ist steht auch der Arbeitsplatz in der
Diskussion. Aber was ist passiert?
Es sind diesmal
nicht die Kostenrechner und Excelsheet-Produzenten, die die Diskussion des
Arbeitsplatzes, wie in den letzten Jahren, bestimmen: Gute Mitarbeiter sitzen
beim Kunden oder Zuhause, wo sie weniger kosten und immer erreichbar sind. Man
nennt es Freiheit! Nein, schlicht der Erfolg von Google zwingt zum Umdenken. Der kokonartige Google-Campus mit kostenlosem Essen und
Dienstleistungen wie Reinigung oder Schuhreparaturen lässt die Grenze zwischen
Privatem und Beruflichem verschwimmen, um die Mitarbeiter möglichst lange am
Arbeitsplatz zu halten: Die Firma kümmert sich doch um alles, warum willst du
überhaupt nach Hause gehen?".
Mensch da schreibe ich über die
Digital Nomaden und da fällt mir Yahoo in den Rücken. Raymond Fisman, Professor
an der Columbia Business School, findet
das nachvollziehbar: "Das
ist das richtige Signal von einer Chefin, die einen der größten Krisenfälle des
Internets wieder auf die Beine bringen will", schreibt er auf cnn.com. Die
Kommunikation von Angesicht zu Angesicht findet der
Organisationswissenschaftler unersetzlich. Allerdings könne es sein, dass die
Maßnahme nicht für alle Yahoo-Mitarbeiter geeignet sei: "Viele von ihnen
arbeiten im Kundenservice und dürften zu Innovationen im Konzern ohnehin wenig
beitragen."
Und schon kommt aus Deutschland die
Weise, dass Heimarbeit für Eltern nicht unbedingt vorteilhaft sei: "Ein
geregelter Arbeitstag lässt sich mitunter besser mit Familienaufgaben
kombinieren als ständige Erreichbarkeit."
Und bei Google: Rüschensofas, U-Boot-Türen
und überall Union Jacks: Die Innenausstattung der renovierten London-Zentrale
von Google ist ein irrwitziger Stilmix. Die Sofas und die selbst bewirtschafteten Gärten sind ein
zentraler Bestandteil des Konzepts. Auf solche Bereiche kommt es an, wenn man
eine intelligente Strategie für die Gestaltung von Arbeitsplätzen verfolgt. Im
Google Headquarter in London arbeiten 1250 Leute. Jeder von denen hat einen
eigenen Arbeitsplatz - und darüber hinaus gibt es 1250 gemeinsam nutzbare
Plätze, also Sitzgruppen unterschiedlichster Größe, wo man sich mit Kollegen
zusammensetzen kann. So viele Plätze pro Mitarbeiter gibt es nirgendwo sonst.
Normalerweise haben große Unternehmen solche Gemeinschaftsplätze vielleicht für
jeden vierten Mitarbeiter. Das ist ja gerade das Kluge an dem Konzept: Wenn die
Leute entspannt sind, arbeiten sie effektiver.
Aber mir ist das alles doch sehr
fern: Produktionsstätte werden zu Lifestyle-Zentrale umgemodelt. Man muss nicht
am Strand hocken, wenn das Büro die Oase ist, ohne lästige Sandkörner zwischen
den Tasten, die das Programmieren erschweren - das scheint das Mantra der
nordkalifornischen Aufsteiger, die damit ihre Mitarbeiter so lange wie möglich
am Arbeitsplatz halten wollen. Selbstredend ist das im Interesse der
Unternehmen - und damit auch einer Yahoo-Chefin. Aber davon sind wir
Normalsterblichen doch alles sehr entfernt